Dorf bei Nacht, 1924

 Dorf bei Nacht, 1923 Öl/Lw 72x137cm


Dorf bei Nacht

Ganz im Gegensatz zum >TraumNachtTraumNachtTraum
Tonbandzitat 3: "Das war die erbärmlichste Zeit, die ich erlebt habe. Nichts mehr. Nichts mehr. Der letzte Rest von meinen Brüdern ist vollends zerfetzt. Nichts zum Anziehen. Nichts zum Heizen. Wenig zum Essen. Das ist mein damaliger Zustand gewesen. Ich habe keinen Schlaf mehr gefunden...Ich bin oft in der Nacht, ganz allein, rüber in den Wald gepirscht. An dem Tag, als ich das Bild gemacht habe, bin ich, - das war morgens zwischen halb drei und halb vier, und es hatte Nebel -, da drüben auf der Neckarbrücke einem Mann begegnet, tief eingehüllt in einen Mantel, den Hut reingeschlagen: er hatte einen schwarzen Hut auf. Der ist nur, wie nichts, den Neckar rüber dem Wald zu; ich kam zurück. Der Mann war ein Ingenieur der Maschinenfabrik. ... Um sieben Uhr hieß es, daß dieser Ingenieur, der an mir vorbeigelaufen ist, seine Frau und seine Tochter und dann sich selbst umgebracht hat. Und dann habe ich dieses Bild gemalt: >Die Nacht
Derlei surrealistische Geschichten dienten Sohn dazu, dem Laien den tieferen Sinn, das Geheimnis, eines Werkes anschaulicher zu machen. Man darf diese Geschichtchen aber, wie das immer wieder getan wurde, nicht als Bildanlaß verstehen. Hermann Sohn identifiziert sich hier vielmehr mit jenem "Ingenieur" (schon die gemeinsame Wurzel der Berufsbezeichnung weist auf das "Genie" hin); Die Gesellschaft, die Durchschnittsmenschen, und das subjektivistisch-geniale Individuum sind schicksalhaft in einen unüberbrückbaren Dualismus geraten. Der genialisch moderne Künstlertyp ist zum lästigen Außenseiter geworden, zum 'outlaw'. Der Künstler als todbringender Verbrecher: das ist der äußerste Grad der Opposition von Kunst und Leben. Seinem Schüler Martin Heller gestand er später: "Damals war ich nahe daran, Schluß zu machen, ich fühlte mich damals von meiner Umgebung unverstanden. Ja, wenn es die wenigen Lichter nicht gegeben hätte!"

Auch dieses Gemälde ist also ganz transzendentalpoetisch; sein Thema ist die krisenhafte Stellung des "außerordentlichen" Menschen, der stets bedrohlich am Abgrunde des Nichts und der Selbstzerstörung wandelt.
 

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