Krystallnacht, 1938

 Kristallnacht, 1938 Öl/Lw 105x87cm


Kristallnacht

1938 malt Sohn das Gemälde "Kristallnacht", nachdem er zufälligerweise Zeuge der gewaltsamen Räumung des jüdischen Waisenhauses in Esslingen wurde. Die Judenkinder wurden, wie auch sein jüdischer Freund Fischer, Dekorateur bei Landau und Röhn, in Vernichtungslager abtransportiert.

Hermann Sohn erzählt 1968 an seinem 75. Geburtstag von dem, was im Israelitischen Waisenhaus "Wilhelmspflege" passiert ist. Tonbandprotokoll:
"Das Bild da, das hab' ich "Krystallnacht" genannt. Und da ist mir passiert: hier in Esslingen da gab's ein israelitisches Waisenhaus, auf der Höhe. Und ich bin geholt worden, von einem Malermeister, wegen Farbbestimmungen, in dieser Kaserne oben, in der Becelaere-Kaserne. Und wir fahren da die Mühlbergerstraße 'nauf, die Panoramastraße, und kommen an dieses Waisenhaus hin. Da ist vorne ein großer Hof gewesen. Man ist da die Staffeln raufgegangen. Und da seh' ich, wie da die Kinder rausspringen und schreien: mordio!' und rennen und tun und machen. Und dann spring' ich rein in den Hof, ein großer Schulhof, spring' ich rein, und jetzt schmeißen sie oben durch die Fenster Fahnen, israelitische Fahnen, und alles mögliche zum Fenster raus, und Bücher und was weiß ich. Also da ging's drunter und drüber. [Gast: Das war die SA!] Und ich steh' in dem Hof und ich schrei', was ich aus dem Hals rausbring': ‚Polizei! Polizei! Wo ist denn die Polizei! Polizei!' Und dann rennt einer von den Kerle auf mich zu und sagt: "Kerle, wenn du jetzt net deine Gosch hälst, und gleich verschwindest, dann schlag' ich dir den Schädel ein!' Jetzt ist das die Zeit gewesen der Kristallnacht. Auf dies hin ist die Kristallnacht gekommen. Und die Kinder sind alle dem Wald zugerannt, dem Schurwald zugerannt, und auch der Leiter von diesem israelitischen Waisenhaus. Das habe ich natürlich nicht gewusst. Und ich bin heim und nehme meine Leinwand und habe dieses Bild gemalt. Das ist die 'Krystallnacht': fünfarmiger Leuchter hinten und dann der Judenstern. Das hätt' ich dürfen niemand zeigen. Das hab' ich versteckt gehabt.

Diese Beschreibung stimmt recht genau mit derjenigen von
Günter Grass in 'Mein Jahrhundert': 1938 überein. Die Tatsache, dass die Stadt Esslingen nie Interesse am Erwerb eines solchen Zeitdokumentes gezeigt hat, scheint die Auffassung von Günter Grass über den Umgang der Stadt Esslingen mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit leider zu bestätigen.

 

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